Presseinformation: Magma in Bewegung: Wann bricht ein Vulkan aus?
Nr. 56 - 31.03.2025
Internationales Forschungsteam analysiert magmatische Kristalle in den Phlegräischen Feldern
(pug) Wie lange kündigt sich ein Vulkanausbruch im Voraus an der Oberfläche durch Prozesse in der Tiefe an? Dieser Frage ist ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen nachgegangen, indem es vulkanische Ablagerungen eines früheren Vulkanausbruchs in den Phlegräischen Feldern nahe Neapel analysiert hat. Das Team fand heraus, dass frisches Magma aus der Tiefe den Vulkan innerhalb von rund 60 Jahren zur Eruption brachte. Diese „Vorwarnzeit“, also die Zeit, bis aufsteigendes Magma eine Eruption auslöst, hängt laut den Forschenden aber stark von der Magma-Temperatur ab. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Bulletin of Volcanology erschienen.
Die Prozesse, die einen Vulkanausbruch auslösen können, sind in sogenannten Wachstumsringen magmatischer Kristalle aufgezeichnet: Diese befinden sich im Magmareservoir, einer unterirdischen Kammer, in der sich flüssiges Magma unter einem Vulkan sammelt. Bis kurz vor der Eruption wachsen die magmatischen Kristalle hier heran. Beim sogenannten „Kampanischen Ignimbrit“, einem gewaltigen Vulkanausbruch vor etwa 40.000 Jahren, wurden rund 300 Kubikkilometer Magma freigesetzt. Damit zählt er zu den größten und explosivsten Eruptionen in Europa der vergangenen 100.000 Jahre. Die Ablagerungen dieser Eruption untersuchten die Forschenden mit einer Elektronen-Mikrosonde, einem Gerät, mit dem sich die Proben mit Elektronen bestrahlen und ihre chemische Zusammensetzung punktgenau auf Tausendstel von Millimetern messen lassen. So konnte das Team die letzte Wachstumsphase der Kristalle kurz vor einer Eruption chemisch analysieren.
„Die Verteilung des Elements Barium entlang von gemessenen Profilen am Kristallrand legt nahe, dass ein frischer Nachschub von Magma aus der Tiefe vor 40.000 Jahren die gewaltige Eruption ausgelöst hat“, erklärt Prof. Dr. Gerhard Wörner von der Abteilung Geochemie und Isotopengeologie der Universität Göttingen. „Dies belegt zum einen, dass dieser finale Magmen-Nachschub direkt vor der Eruption erfolgt ist. Weiterhin zeigen mathematische Modellierungen der gemessenen chemischen Profile, dass dieser Prozess das schon in der Erdkruste vorhandene, viel ältere Magma innerhalb von nur rund 60 Jahren zur Eruption brachte.“
Allerdings hängt die „Vorwarnzeit“ einer solchen Eruption stark von der Temperatur des Magmas ab, die nicht sicher zu bestimmen ist. „Sollte die Temperatur des Magmas höher als die angenommenen etwa 900 Grad Celsius gewesen sein, würde sich die Vorwarnzeit sogar noch deutlich reduzieren: Bei etwa 970 Grad Celsius liegen die meisten Schätzungen bei weniger als vier Jahren bis nur einem Monat. War die Temperatur niedriger, etwa bei 850 Grad Celsius, könnte die Vorwarnzeit zwischen acht und 380 Jahren liegen“, so Erstautorin Dr. Raffaella Iovine, die die Forschung im Rahmen ihrer Doktorarbeit in der Arbeitsgruppe von Wörner und in Zusammenarbeit mit Forschenden aus Neapel durchgeführt hat.
Die seit etwa vier Jahren stark angestiegene Erdbeben-Aktivität unter den Phlegräischen Feldern nährt in der Region Neapel die Furcht vor einer erneuten Eruption. Die nun publizierten Daten geben erste Hinweise darauf, wie lange die magmatischen Prozesse im Untergrund vor einer Eruption ablaufen. „Anzeichen, dass eine Eruption in der näheren Zukunft auch tatsächlich stattfinden wird, zeigen die Ergebnisse allerdings nicht“, so Wörner. „Oft werden Vulkane im Untergrund unruhig, ohne dass danach auch eine Eruption an der Erdoberfläche ausgelöst wird. Andererseits sind die Vulkane in der Region der Phlegräischen Felder schon seit über 300.000 Jahren immer wieder aktiv, oft nur mit kurzem Zeitabstand von wenigen hundert Jahren.“
Die Göttinger Forschungsarbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und den Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert.
Originalveröffentlichung: Raffaella Silvia Iovine et al. Insights into magma reactivation times prior to a catastrophic highly explosive event: the Campanian Ignimbrite eruption (Campi Flegrei, Italy). Bull Volcanol (2025). DOI: 10.1007/s00445-025-01812-5.
Kontakt:
Prof. Dr. Gerhard Wörner
Georg-August-Universität Göttingen
Geowissenschaftliches Zentrum – Abteilung Geochemie und Isotopengeologie
Goldschmidtstraße 1
37077 Göttingen
E-Mail: gwoerne@gwdg.de