Prof. Dr. Sarah Nies

Professur für Soziologie mit dem Schwerpunkt Digitalisierung in der Arbeitswelt


Forschungsschwerpunkte


  • Reorganisation und digitale Transformation von Arbeit
  • Steuerung und Kontrolle von Arbeit
  • Technische Rationalität und Ideologiekritik
  • Ansprüche an Arbeit und Arbeiter*Innenbewusstsein

Sprechstunde

Nach Vereinbarung


Aktuelles

Vom 03.-05.04. 2024 haben wir gemeinsam mit dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Universität Göttingen die 42. International Labour Process Conference veranstaltet.
Mit rund 400 Gästen, 82 Sessions und über 260 Vorträgen war die Konferenz ein voller Erfolg.
Das Programm lässt sich noch hier und das Book of Abstract hier einsehen. Den Einführungsvortrag von Sarah Nies finden Sie hier.





Laufende Forschungsprojekte

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und in Kooperation mit dem Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg (Prof. Dr. Wolfgang Menz) durchgeführt. Projektlaufzeit: 02/2026 - 01/2029.

Das Projekt untersucht den Zusammenhang von Erwerbsarbeitserfahrungen und politischen Orientierungen von Arbeitnehmer:innen in gegenwärtiger Arbeitswelten. Es geht dabei davon aus, dass sowohl die objektiven ökonomischen, sozialen und be¬trieblichen Bedingungen der eigenen Arbeitssituation als auch deren subjektiven Wahrneh¬mungen und Deutungen Einfluss darauf nehmen, welche politischen Ansprüche formuliert und wie politische Zusammenhänge gedeutet werden und umgekehrt politische Deutungsmuster auch die Wahrnehmung der eigenen Arbeitserfahrung rahmen. Das Projekt erarbeitet dabei das Konzept der „Handlungsfähigkeiten“ als analytisches Scharnier, um den wechselseitigen Zusammenhang zwischen politischen Deutungen, objektiven Arbeitsbedingungen und subjektiv gedeuteten arbeitsweltlichen Erfahrungen theoretisch zu bestimmen und empirisch zu erforschen. Wir gehen dabei davon aus, dass sich in den von den Beschäftigten geschilderten Arbeitserfahrungen objektive Arbeitsrealitäten und Entwicklungen ausdrücken, diese Schilderungen zugleich aber auch Produkt von Interpretationen und Deutungen sind, die mit politischen Orientierungen in Zusammenhang stehen, der wesentlich über die Wahrnehmung von Handlungsfähigkeiten vermittelt, aber nicht determiniert ist. Empirisch werden acht Fallstudien kontrastierender Arbeitskonstellationen erforscht, die sich auf betrieblicher und personengruppenbezogener Ebene hinsichtlich erwartbarer Bedingungen für die Erfahrung von Handlungsfähigkeit unterscheiden.

Im Ergebnis zielt das Projekt auf qualitativ basierte Befunde zu veränderten Handlungsfähigkeiten und ihrer subjektiven Deutung in Bezug auf gegenwärtige relevante Umbrüche der Arbeitswelt sowie zu damit verbundenen Vorstellungen des Politischen aus Perspektive unterschiedlicher Beschäftigtengruppen. Die erwarteten Ergebnisse liefern einen Beitrag zu wissenschaftlichen Debatten zeitdiagnostischer Perspektive – so etwa zur Frage, der politischen „Repräsentationslücke“ von Arbeitnehmer:innen und ihrer Differenzierung; zu sozialen Spaltungslinien und Polarisierungstendenzen; zur Deutung des neoliberalen Denkmusters ökonomischer Alternativlosigkeiten und zu Re-Politisierungstendenzen von Arbeit; zum Zusammenhang von Ohnmachtserfahrungen und rechten oder autoritären Orientierungen und allgemeiner zur Legitimation politischer Ordnung. Nicht zuletzt zielt das Projekt auch auf eine theoretisch-konzeptuelle (Neu-)Entwicklung eines analytischen Rahmens zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Arbeitserfahrungen und politischen Orientierungen. Damit nimmt das Forschungsprojekt die in der arbeits- und industriesoziologischen Forschungstradition seit Ende der 1970er Jahre „liegengebliebene“ Frage nach Verhältnis von Arbeit und politischem Bewusstsein wieder auf, verspricht aber eine der Komplexität des Zusammenhangs angemessene Konzeptualisierung, die vereinfachte Kausalitätsannahmen vermeidet.


Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Schwerpunktprogramms 2267 „The Digitalisation of Working Worlds“ gefördert (11/23 bis 10/26) und in Kooperation mit dem ISF München und dem ZZF Potsdam durchgeführt. Projektlaufzeit: 11/2023 - 10/2026.

Technikinskription als Feld der Leistungspolitik
Anknüpfend an das erste Projekt „Politics of Performance“, das den Zusammenhang übergeordneter unternehmerischer Strategien der Digitalisierung mit Entwicklungen der Leistungspolitik erforscht, steht in diesem Folgeprojekt Technikinskription- und Aneignung in ihren Wechselwirkungen mit Digitalisierungsstrategien einerseits und Leistungspolitik andererseits im Zentrum des Interesses. Konkret fragt das Projekt zum einen danach, wie betriebliche Digitalisierungsstrategien und technologische Innovation sich gegenseitig beeinflussen. Im Zentrum steht hier die Frage, wie Unternehmen Einfluss auf Technikdesign nehmen und wie digitale Technologien einerseits Möglichkeiten betrieblicher Steuerungsprozesse ausweiten und andererseits organisatorische Anpassungen erfordern, die betriebliche Autonomie einschränken. Zum anderen fragt das Projekt nach der eigensinnigen Aneignung digitaler Technik im konkreten Arbeitsprozess. Analog zu Leistungsbedingungen und Leistungspolitik wird Inskription bzw. Technikentwicklung dabei als umkämpftes Feld aufgefasst, das nicht nur von unternehmerischen Strategien, sondern von allen beteiligten Akteuren und deren (teilweise widersprüchlichen) Interessen geformt ist. Zum umkämpften Feld der „politics of performance“ tritt so das Feld der „politics of inscription“ hinzu, in welchem Anwender, Anbieter und arbeitspolitische Akteure um das konkrete Design von Technologie ringen.

Vorgehen
Das Projekt untersucht dieses Verhältnis von Einflussnahme auf und Beeinflussung durch Technikdesign in interdisziplinärer Perspektive am Beispiel der Chemieindustrie: Historisch wird nach dem Verhältnis von allgemeinen Rationalisierungsstrategien und technologischen Entwicklungen gefragt (ZZF), arbeitssoziologisch nach betrieblichen Strategien der Technikgestaltung bzw. -inskription sowie ihren Wirkungen auf der Arbeitsprozessebene (Uni Göttingen und ISF München). Die Untersuchung erfolgt anhand von Fallstudien zu digitaler gestützte Prozessintegration in der chemischen Großindustrie sowie zur Laborautomatisierung in der pharmazeutischen Industrie.

Mitarbeiter*innen:
M.A. Samuel Rieger, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung - ISF München (Prof. Dr. Nick Kratzer, M.A. Konstantin Klur) und dem Leibniz Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) (PD Dr. Christopher Neumeier)


Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Schwerpunktprogramms „The Digitalisation of Working Worlds. Conceptualising and Capturing a Systemic Transformation" (SPP 2267). Digitalisierung der Arbeitswelten
Projektlaufzeit: 11/2020- 10/2023.

Leistungspolitik in der digitalen Transformation von Arbeit
Digitale Technologien schaffen neue Bedingungen für die Steuerung von Arbeit und Leistung im Betrieb. Das gilt nicht zuletzt für den Shopfloor: eine automatisierte Datenerfassung und -verarbeitung erhöht Transparenz und Überwachungspotenziale, die informationstechnische Verknüpfung physischer Komponenten (Internet of Things) erlaubt einen direkteren Zugriff auf Prozesse der gesamten Wertschöpfungskette, selbstlernende Systeme, Leichtbaurobotik und digitale Assistenzsysteme erweitern die Möglichkeiten flexibler Automatisierung. Doch beschränkt sich die Steuerung von Arbeit nicht auf Kontrolle und Handlungsrestriktionen, sondern umfasst auch die gezielte Aktivierung von Beschäftigtenhandeln. Zudem verfolgen Unternehmen mit dem Einsatz digitaler Technik allerdings nicht ausschließlich – und oftmals nicht mal vorwiegend – Strategien, die auf Rationalisierung von Arbeitskraft gerichtet sind. Für die digitale Transformation prägend sind insbesondere auch unternehmerische Strategien, die auf die Einflussnahme auf Markt und Kooperationspartner oder die Reorganisation übergreifender Prozesse (systemische Rationalisierung) zielen.

Ziele und Fragestellung
Das Projekt fragt danach, wie sich Leistungspolitik in der Industriearbeit vor dem Hintergrund unterschiedlicher und teils widersprüchlicher Digitalisierungsstrategien von Unternehmen und betrieblichen Akteuren verändert, welche Auswirkungen also Digitalisierung auf betriebliche Aushandlungen und Prozesse hat, die die Verausgabung von Arbeitsleistung, Arbeitsbedingungen und konkrete Arbeitspraxis bestimmen.

Hierzu geht das Projekt erstens der Frage nach, welche Strategien betriebliche Akteure mit dem Einsatz digitaler Technologien verfolgen, wie die jeweiligen Strategien umgesetzt werden und welche Reibungen oder Synergien sich zwischen verschiedenen Zielsetzungen ergeben. Zweitens erforscht das Projekt, wie die angestoßenen Digitalisierungsprozesse auf die Prozesse der Leistungspolitik wirken. Dabei berücksichtigt das Projekt explizit auch die Wirkung derjenigen Digitalisierungsstrategien, die nicht primär auf Arbeitskraftrationalisierung, Überwachung und Kontrolle zielen, aber als (erwünschter oder unerwünschter) Nebeneffekt auf die Bedingungen der Leistungsverausgabung Einfluss nehmen. Weil sich von bestimmten Unternehmensstrategien nicht umstandslos auf die realen Auswirkungen auf den Arbeitsprozess schließen lässt, fokussiert das Projekt dabei nicht zuletzt auf konkrete Arbeitspraxen, Wahrnehmungen und Aneignungsweisen der Technik durch Produktionsbeschäftigte. Das Projekt zielt damit auf einen konzeptionellen Brückenschlag zwischen der Analyse konkreter Arbeitsprozesse und betrieblichen (Digitalisierungs-)Strategien.

Vorgehen
Die Untersuchung des Zusammenhangs von Digitalisierungsstrategien und Leistungspolitik erfolgt im Rahmen von qualitativen Intensiv-Fallstudien in drei Unternehmen der Automobil- und Chemieindustrie sowie im Maschinenbau. Die Auswahl der Unternehmen berücksichtigt dabei unterschiedliche Ausgangsbedingungen für die Herausbildung und Verfolgung betrieblicher Strategien (u.a. Marktsituation, Stellung in der Wertschöpfungskette, bisheriger Automatisierungsgrad). Die Fallstudien umfassen problemzentrierte Interviews mit Produktionsbeschäftigten in ausgewählten Einsatzbereichen digitaler Technik, leitfadengestützte Interviews mit betrieblichen Expert*innen zur Analyse betrieblicher Digitalisierungsstrategien und Modi der Leistungssteuerung sowie rahmende Dokumentenanalysen und Betriebsbegehungen. Die Auswertung der Fälle erfolgt sowohl in betriebsbezogenen Fallanalysen also auch im kontrastierenden Fallvergleich.

Mitarbeiter*innen:
M.A. Samuel Rieger, in Zusammenarbeit mit dem ISF München (Prof. Dr. Nick Kratzer, M.A. Konstantin Klur)

Publikationen (Auswahl):
Klur, Konstantin; Nies, Sarah (2023): Governed by digital technology? Self-perpetuation and social domination in digital capitalism. In: Work Organisation, Labour & Globalisation 17 (1), S. 12–33.

Becksteiner, Mario; Nies, Sarah (2022): Digitale Konstruktion betrieblicher Wirklichkeiten und die Grenzen des Verhandelbaren. In: Janis Ewen, Sarah Nies und Martin Seeliger (Hg.): Sozialpartnerschaft im digitalisierten Kapitalismus. Hat der institutionalisierte Klassenkompromiss eine Zukunft? Weinheim: Beltz Juventa, S. 182–202.

Nies, Sarah (2021): Eine Frage der Kontrolle? Betriebliche Strategien der Digitalisierung und die Autonomie von Beschäftigen in der Produktion. In: Berliner Journal für Soziologie 31 (3/4), S. 475–504. DOI: 10.1007/s11609-021-00452-8.



Team

Sekretariat:
Lydia Regner
Bürozeiten: An Werktagen (ganztags)

Wissenschaftliche Mitarbeitende:
Dr. Heiner Heiland
Annemarie Kern M.A.
Samuel Rieger M.A.
Matthias Sommer M.A.

Studentische Hilfskräfte:
Sarah Seip
Tim Sterzenbach